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Noch bevor der «Club of Rome» 1972 sein aufsehenerregendes Buch «The Limits to Growth» publizierte, beschäftigte sich Ernst Basler mit den Folgen des exponentiellen Wachstums auf begrenztem Raum. Er prägte den Begriff «Nachhaltigkeit» als Metapher für einen Umgang mit unseren natürlichen Ressourcen, der auch künftigen Generationen intakte Lebensgrundlagen sichert.

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Was hat Sie Anfang der 1970er-Jahren dazu gebracht, öffentlich vor den negativen Folgen eines weiteren ungebremsten Wachstums zu warnen?

Ernst Basler: Für mich waren damals drei Erkenntnisse ausschlaggebend: Erstens, dass Bevölkerung, Wirtschaft und Konsum und damit Umweltbelastungen und Ressourcenverbrauch nicht linear mit der Zeit ansteigen, sondern exponentiell. Zweitens, dass unser Lebensraum, die Biosphäre, beschränkt ist: Sie ist nur ein hauchdünner Schleier um den Erdball und dieser ein einsames Raumschiff in der Unendlichkeit des Universums. Und drittens, dass der Mensch bereits so zahlreich und mächtig ist, dass er in der Lage ist, Prozesse von der gleichen Grössenordnung auszulösen, wie sie in der Natur vorkommen. Die Schlussfolgerung lag für mich auf der Hand: Unbeschränktes Wachstum auf beschränktem Raum führt auf die Dauer zur Zerstörung unserer Lebensgrundlagen.

Nachhaltigkeit eignete sich als Metapher für den gesamten Umgang mit der Biosphäre.

Sie begnügten sich nicht mit der Rolle des Mahners, sondern setzten sich intensiv damit auseinander, wie die Menschheit auch auf begrenztem Raum mit endlichen Ressourcen prosperieren kann. Dafür verwendeten Sie als einer der Ersten den Begriff «Nachhaltigkeit». Wie kamen Sie darauf?

Ich stiess im Gespräch mit einem Forstingenieur zufällig auf diesen Begriff aus der Waldwirtschaft. Als er mir erklärte, was mit «nachhaltig» gemeint ist, nämlich dass der Förster in einem Jahr nur so viel Holz schlägt, wie im gleichen Zeitraum nachwächst, wusste ich sofort: Das ist der Ausdruck, nach dem ich lange gesucht hatte, ein eingängiges deutsches Synonym für das englische «sustainable development».

Was machte den Begriff für Sie so passend?

Ich war überzeugt, dass sich «Nachhaltigkeit» als Metapher für den gesamten Umgang mit der Biosphäre eignet. Es war der Globalausdruck für einen Gleichgewichtszustand ohne übermässiges quantitatives Wachstum und ohne langfristige Übernutzung unserer Lebensgrundlagen. 1972 verwendete ich den Begriff in meinem Buch «Strategie des Fortschritts» und in einer Artikelserie in der «Neuen Zürcher Zeitung» in diesem Kontext. 1987 prägte die Brundtland-Kommission dann mit ihrem Bericht «Unsere gemeinsame Zukunft» das Konzept der nachhaltigen Entwicklung, wie es heute in aller Munde ist.

Wie beurteilen Sie die Entwicklung seit den 1970er-Jahren, als Umweltprobleme erstmals ins Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit gerieten?

Um 1970 wurden die Umweltprobleme immer akuter. Man könnte sie bildlich mit Gewitterwolken vergleichen, die langsam am Himmel aufziehen. Die erste Front waren die lokalen Verschmutzungen von Luft, Böden und Gewässern, die in den meisten industrialisierten Ländern damals die Grenze des Zumutbaren erreichten. Sie wurden als so störend wahrgenommen, dass man – zumindest in der Schweiz – bald für Abhilfe sorgte. Viele Menschen glauben heute noch, damit sei der Beweis erbracht, dass die Menschheit mit dem Konflikt zwischen Zivilisation und Natur fertig werde. Wir müssen uns jedoch bewusst sein, dass nach den ersten lokalen Unwettern noch viel mächtigere, globale Gewitterfronten auf uns zukommen. Der Klimawandel, das Artensterben und die Übersäuerung der Ozeane werden nicht so einfach lösbar sein. Die vollen Auswirkungen dieser globalen Bedrohungen zeigen sich erst nach Generationen – das macht es den Menschen einfach, sich desinteressiert und scheinbar unbetroffen davon abzuwenden.

Klimawandel, Artensterben und Über­säuerung der Ozeane werden nicht so einfach lösbar sein.

Wie können wir versuchen, das zu ändern?

Einer meiner Leitsätze lautet: «So wie du die Welt wahrnimmst, handelst du auch.» Wenn die Bevölkerung über ein ökologisches Grundverständnis verfügt, werden in einer Demokratie auch entsprechende Entscheidungen zustande kommen. Information und Bildung, über die Medien und die Schule, spielen dabei eine grosse Rolle. Aber auch die Wissenschaft ist ein wichtiger Akteur. Hochschulen wie die ETH sollen neben der Lehre und Forschung auch als «ökologischer Leuchtturm» dienen, indem sie früh erkennen, welche Probleme auf uns zukommen und uns so Zeit zum Handeln verschaffen. Und auch wenn wir nicht alle Umweltprobleme mit Technik lösen können: Ohne Wissenschaft und Technik geht es nicht. Unser Lebensraum ist endlich, doch unsere Innovationskraft ist es nicht.

«Endliche Erde»: Rückblick eines Pioniers

«Endliche Erde» ist Sachbuch und Biografie zugleich: Es ist Ernst Baslers persönlicher Blick auf die Geschichte der Nachhaltigkeit. Der Autor Thomas Sprecher schildert, wie Ernst Basler in den 1960er-Jahren begann, sich mit dem Umweltthema auseinanderzusetzen, als Wachstumseuphorie und Fortschrittsglaube noch allgegenwärtig waren. Er zeichnet nach, wie eine Gastprofessur am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston es Basler ermöglichte, seine Gedanken zu vertiefen und schliesslich 1972 als Buch mit dem Titel «Strategie des Fortschritts» zu veröffentlichen. Seither hat ihn das Thema nie losgelassen. Acht Leitsätze fassen am Ende zusammen, welche Schlüsse Basler heute, nach über fünfzig Jahren Auseinandersetzung mit der Idee der Nachhaltigkeit, gezogen hat.

Viele direkte Zitate verleihen dem Buch einen lebendigen Einblick in Ernst Baslers Gedanken. Thomas Sprecher beschreibt aber auch die Entwicklung des Nachhaltigkeits- und Wachstumsdiskurses und ordnet Ernst Basler darin ein. Infografiken und Hintergrundtexte erklären wesentliche Zusammenhänge und Begriffe.